5 Jahre

Posted on 21. Januar 2019

Genau vor fünf Jahren, am 21. Januar 2014, wurde ich aus dem Zentrum für Psychatrie Reichenau mit der Diagnose F.23.1 entlassen.

Besondere Bemerkungen: “Die Kriesenintervention ist von Patientin vorzeitig beendet. Die Patientin ist stabilisiert. Sie ist glaubhaftig von Eigen- und Fremdgefährdung und Suizidalität distanziert.”
Die hübsche Nummer aus dem Katalog für Krankheiten lässt sich mit “Akute polymorphe psychotische Störung mit Symptomen einer Schizophrenie” in Worte übersetzen. Als ich damals aus der Klinik entlassen wurde, hatte ich keine Ahnung, welcher Zug mich da gerade überrollt hatte. Und ich hatte auch keine Ahnung, dass es Jahre brauchen würde, um wieder halbwegs normal zu werden. Und jetzt? Geheilt? So einfach ist das leider nicht. Im Grunde wird wohl niemand bei der ersten psychotischen Episode als schizophren eingestuft. Entscheidend ist der weitere Verlauf: “Wenn die schizophrenen Symptome andauern (oder wiederkehren), ist die Diagnose in Schizophrenie (F20.-) zu ändern.”

Das einzige, was ich also mit Sicherheit sagen kann, ist, dass mein Gehirn unter bestimmten Bedingungen die Tendenz hat, verrückte Sachen zu denken. Und diese Tendenz steht schon einmal felsenfest. Wenn man so etwas über sein Hirn weiß, ist das sehr beunruhigend. Jede schlaflose Nacht wird mit Sorge zur Kenntnis genommen, jede stressige Lebensphase könnte Auslöser für eine weitere Episode sein. Mit anschließender jahrelanger Medikamenteneinnahme, Depression, Kartoffelbrei im Hirn. Es wäre sehr schön, wenn ich diese schwere Zeit nicht noch einmal erleben müsste. Es war grauenvoll, nicht nur für mich, sondern auch für meine Familie.

Fünf ganze Jahre habe ich mich wacker geschlagen (mit einigen schwammigen Phasen) und so langsam wächst die Hoffnung, dass ich zu dem glücklichen Drittel von Betroffenen gehöre, die nur eine einzige psychotische Episode durchleben müssen.

Die kleine LOVE-Skulptur aus dem Beitragsbild habe ich damals in der Psychatrie während der Ergotherapie aus einem Speckstein gekratzt. Ziemlich gegen Ende der aufwändigen Bearbeitung ist mir ein Stück vom E abgebrochen. Deshalb ist es etwas kleiner als der Rest der Buchstaben. So kann es gehen. Diesen einen Speckstein zu bearbeiten war so ziemlich das Highlight in der Ergotherapie. Besser als Perlenarmbänder knoten, Papierboxen mit Mosaiksteinen bekleben, und ganz arg viel besser als Mandalas auszumalen. Also Mandalas ausmalen ist echt der größte Scheiß! Wer hat sowas nur erfunden?!

What Others Are Saying

  1. Karl Emnet 22. Januar 2019 at 18:09

    Dafür, dass das theoretisch jeder X-beliebige sehen kann, hast du dich aber ganz schön weit aus dem Fenster gelehnt mit dem Beitrag. Aber ich finde es ohnehin besser, offensiv mit der Diagnose umzugehen.

    • Kaa 6. Mai 2019 at 21:34

      Hallo Karl,
      ich habe nun länger immer wieder mal über eine Antwort auf deinen Einwand nachgedacht. Natürlich hast du Recht, ich habe mich ganz schön weit aus dem Fenster gelehnt. Ein Grund dafür, dass mir dies leichter fällt, ist natürlich, dass es mir gerade recht gut geht. Darüber hinaus bin ich aber auch der Meinung, dass es wichtig sein kann, dass sich noch so halbwegs funktionstüchtige Psychose-Erfahrene sich outen und somit zeigen, dass es bei dieser Erkrankung ein ganz breites Spektrum an Auwirkungen/Symptomen gibt. Das hilft vielleicht denjenigen Betroffenen, die ihre Andersartigkeit nicht einfach verstecken könnten. Und vielleicht schenkt es auch ein wenig Hoffnung, weil es ja offensichtlich nicht wenige Fälle gibt, in denen man nach einer Episode von weiteren Schüben verschont bleibt.
      Des Weiteren weiß das Internet eh von meiner Erkrankung (habe (ganz selten) mal Werbung in die Richtung und Vorschläge für Artikel), meine Krankenkasse, mein Arbeitgeber und meine Familie wissen es … warum nicht auch irgendein interessierter Besucher.

  2. Elke Sichting 26. April 2019 at 12:12

    Hallo liebe Karin,
    von Deiner Erkrankung habe ich damals von der Mutter erfahren und habe sie dabei begleitet, Deine Erkrankung zu verarbeiten. Heute erfahre ich zum ersten Mal, wie Du Dich dabei gefühlt hast und wie es Dir jetzt mit Deiner Erkrankung geht. Toll, wie Du damit umgehst und andere Menschen daran teilnehmen lässt.
    Ich wünsche Dir weiterhin alles Liebe und Gute.
    Viele Grüße, Elke

    • Kaa 6. Mai 2019 at 21:37

      Hallo Elke,
      es war toll, dich in Berlin kennen zu lernen bzw wiederzusehen. Es ist schön, dass Mutti Freunde hat, die sich gut um sie kümmern.
      War auch witzig, dass du Harry Potter sehr magst. Das merk ich mir dann gleich immer 🙂
      Dir auch alles Gute, und vielleicht sehen wir uns mal wieder!
      Liebe Grüße vom Bodensee!

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